Bis auf weiteres

"Wort-Bilder und Farb-Sprache“ 

Zu Erika Rauschning: 'Bis auf weiteres' - Farben und Zeichen 

 

Eine neue Doppel-Dokumentation der Lyrikerin und Malerin aus Pommern, ansässig in Osnabrück, zuhause in ' Farben und Zeichen '. Dieser Untertitel gibt sich offen, bekennend zum Zwiefachen des Erlebens und Wiedergebens. Ich habe es in den fast anderthalb Jahrzehnten Wegbeobachtung der Autorin, der Gestalterin von Aquarellen und Ölbildern öfter betont: Hier werden bei absoluter Eigenständigkeit der Künste im Wort und Bild Grenzen überwunden, Begegnungen ermöglicht, Wort-Bilder und Farb-Sprache leben temperamentvoll miteinander, nebeneinander, in der Gegensätzlichkeit von Intellekt und Sinnlichkeit, dennoch nicht konträr. 

 

Das hat sich nun weiterentfaltet. Ihre Lyrik fand den Weg aus dem wahlheimatlichen westfälischen Raum in die erweiterte literarische Landschaft der Bundesrepublik. Ihre Malkunst errang Anerkennung weit darüber hinaus. Auszeichnungen und ein umfangreiches Presse-Echo zeugen davon. 

 

Der nun vorliegende Band baut auf dem vorausgegangenen Kunstband mit Lyrik und Bildern auf und führt weiter. Die hier zu Augenwanderungen einladenden Aquarelle formen in immer neuen Farbsteigerungen aus eben diesen bewegten Farben abstrahierend Landschaften in einer Präzision der Vorläufigkeit, wie ich es nennen möchte: Bestimmte Zeitstufen scheinen bestimmte Farb-Skalen von der Mitte der Spektralfarben aus in einen Augenblick zu bannen und beispielsweise verhaltenen Mittag, aufwühlenden Abend, Walddichte und Gartenlandschaften, Küstennähe anzudeuten im wörtlichen Sinne. Der Betrachter nämlich mag an-deuten, aus-deuten, was ihn da an Farbspielen von Braunblau oder Ockergrün, von Blaugrau oder Rotanthrazit bannt, anreizt, Stimmungen gleichsam in sich nachzumalen.

 

´Gegenständliches`, wie Stillleben oder Erika Rauschnings bevorzugte Magnolien fordern ebenso in ihrer Durchlässigkeit der Farbstufungen heraus, Augenblicke im Gewachsenen, im Seienden zu erfahren. All dies versucht 'Bis auf  weiteres' einzufangen, was in Gegebenheiten s:ch durch Farbvielfalt öffnet. Und wenn Tänzer -wie in einer einzigen Farbschwingung erscheinen, deckt sich das mit den hier aufgezeigten Gestaltungszügen. 

 

Die Texte, die Worte, von der Autorin zur Malerei hin grenzverwischend 'Zeichen' genannt, wollen keine Beigaben, keine Bildprogrammlyrik sein. Bekenntnis eröffnet diese 'Zeichen' dennoch, wenn es in dem unsentimental werkerfüllten Gedicht' Malen' heißt: 

  

„Das Licht ist mein Nährstoff 

abends komme ich 

von einer Weltreise zurück“

 

  

Im Wechsel von Kurzgedichten und längeren Betrachtungspassagen, im Wechsel von formelhafter und kritisch ausholender Sprache gibt sich diese Lyrik intellektuell scharfkantig in der Wortwahl, trifft Zeitthemen, erinnert sich drastisch der Berufsgebote, die dem Tag den Stempel aufdrücken 

  

„Wenn wir geradezu anstehen 

mit unseren Fahrtmitteln 

uns den Tag um die Ohren zu schlagen 

mit Brotverdienst“ 

Von der Kindheit bis zum Altern entwickelt diese Lyrik ihre knappen, eindringlichen Kriterien.

   

 

Das' Fernsehen früher' in der Kindheit war das Schauen in die Wolken! Und im Alter - die Augen als 'Wachtposten im Gesicht'! Die herbe Sprache zeigt eine Banal-Artistik durch verblüffende Wortsetzungen. Diese Sprache meinen wir bei uns selbst zu hören, aber durch diese Lyrik wächst sie zu ' Zeichen'. So geht es auch dem Leser mit den Landschaftsgedichten von Pommern bis Spanien, mit den verhaltenen Liebesgedichten und ihrer spröden Widersprüchlichkeit; so geht es mit den wenigen Jahreszeitgedichten, dem mir für die kluge Einsamkeit bezeichnend erscheinenden Novembergedicht: 

 

„Das abgewetzte Eisen 

unter deinen Füßen 

Schleifspuren 

die du mit gerade gerücktem Kreuz 

hinterlässt“ 

Ein Bild, eine lyrische Aussage, eine Innen-Auskunft sind diese wenigen Zeilen vom 'Winteranteil ': 

„Der Nachlass eines langen Winters

blutet aus ...“ 

 

 

Ich möchte zu diesem neuen Doppelband der dichtenden Malerin und zeichnenden Autorin abgewandelt sagen: Die Ernte eines Weitergehens strömt hier zu - man muss nur offen sein für das zwiefache Spielen von Durchlässigkeiten in Farben und Direktheiten im Wort, bei dem alles seine Maße kennt und auch die Möglichkeiten, sich der Maße malend, sprechend zu entäußern. "Bis auf weiteres wurde hier gearbeitet, wird angeboten. Der Nacherlebende mag all dies aufnehmen, abwägen in solchem Sinne. 

  

Dr. Inge Meidinger-Geise 

Präsidentin der Europäischen Autorenvereinigung "Die Kogge“

 

Alter

Wie ihre Münder sich langsam verziehen 

wie ihr Herz sich unregelmäßig abstößt 

wie die Augen zu Wachtposten werden 

in ihrem Gesicht 

wie ihr Lachen verwischt 

der Lauthals ist lange gestorben 

hat etwas mit ihnen ganz allein zu tun

Dein Gesicht

Die Streckung findet statt

talabwärts 

wohin auch sonst

Die Schatten treiben ihr Unwesen 

in deinem Gesicht

Ein Spuk wird an dir wahr 

lange erwartet

Da ist die Enge 

der Laufpass 

der Abgang

Du wirst stationiert

Irrtümer sind ausgeschlossen

Es gibt keinen Tag 

an dem du dein Gesicht 

zurückbekommst 

auch dieses heutige nicht

Der Materie überliefert

Sie wachsen immer wieder nach 

die Frauen mit den harten Gesichtern 

gerbweiß 

als ob sie ihre Häutungen 

in stillen Löchern vollziehen 

und geschrumpft auskriechen 

Die Weisung

Die Weisung 

die du erhälst 

sind einschätzbar

Feststellung

Ich 

im Vergleich 

mit mir 

mit euch 

mit damals

Ihr 

im Vergleich 

mit mir

Es wurde schon immer gelogen

Irgend ein Tag

Holunderbeeren 

ziehen in mich ein

Alles was dir die Natur gibt 

kannst du mischen 

deine Worte mit den Steinen 

dein Glück mit den Blüten 

deine Blicke mit dem Riesenleib der Erde 

deine Hände mit der Luft

Du bist unendlich mit den Farben 

die durch dich hindurchgehen 

Du lebst 

als ob du niemals stürbest 

und du bist verstandener den je

Spiegelungen

Jeden Tag steckt ihr euer Leben 

in einen Briefschlitz 

und schreibt

Liebes Leben 

wenn ich älter bin 

werde ich dich leben