Portraits

GESICHT EINER FRAU 

Es fällt auf, dass dieses Blatt im Verhältnis zu anderen Blättern von Erika Rauschning viel ruhiger wirkt. Das Ungestüme, ganz auf Kraft und Schwung fixierte fehlt hier. Nur Augen und Mund des Gesichtes sind stärker farbig, das übrige nur  sparsam und blass heraus modelliert, die Farben aus dem Gesicht an den Rand gedrängt. Blautöne herrschen vor. Es ist ein langes, schmales Gesicht mit schmaler Nase, die Augen kühl, zurückhaltend, abwägend. Nur der Mund verrät Sinnlichkeit. Man spürt, dass die Künstlerin sich selber zurückgenommen hat um der Begegnung mit der Darzustellenden willen. So wird deren Wesen deutlicher charakterisiert. Dennoch: in der kraftvollen Verdrängung der Farbe an den Rand des Gesichtes und aus den in verhaltener Erregung souverän aufgetragenen Farbstrichen und -flecken- vor allem in der verästelten blauvioletten Ansammlung von Farbe rechts unten (möglicherweise der Andeutung einer am Kleid befestigten Orchidee) - wird unverkennbar die Handschrift Erika Rauschnings sichtbar. 

 

Hans-Joachim Haecker, Schriftsteller, Literaturpreisträger, Hannover